Meisterschale geht erneut nach Düsseldorf
Walldorf/Düsseldorf.
Am Ende kam es wie es kommen musste. Das erstmals eingeführte Playoff-System, bei dem die Entscheidung um die Deutsche Meisterschaft in einem einzigen Finalspiel fällt, hatte das Potenzial, den Saisonverlauf auf den Kopf zu stellen. Aber dazu ließen es die favorisierten Düsseldorfer nicht kommen. So wie sie die ganze Saison bestimmt hatten, bestimmten sie auch das Finale. Nach einem verhaltenen Abtasten im ersten Durchgang drehten sie nach dem Seitenwechsel auf und fegten Mainz 05 mit 5:1 von der Platte. Mann des Tages war erneut Radouane Chaanoune. Der beste Torschütze der Saison (22 Tore) entschied sorgte auch im Endspiel mit drei Treffern für die Entscheidung.
Alles war angerichtet am Flinger Broich in Düsseldorf. Nur dieser Tag zählte. Es ist die harsche Realität des Playoff-Systems, dass die ganze Saison mit einem Schlag ihren Wert verlieren kann. Das zeigte bereits das erste Halbfinale: Titelverteidiger Düsseldorf spielte gegen Anpfiff Hoffenheim, die in der Saison abgeschlagen auf dem vierten Rang landeten. Aber plötzlich war Spannung drin. Der 1:1-Ausgleich der Hoffenheimer machte die Hausherren nervös. Am Ende zogen sie dennoch mit einem 4:2 ins Finale ein. Das zweite Halbfinale bestritten Liganeuling FSV Mainz 05 und die SG Nord-Ost, bestehend aus dem Hamburger SV, TeBe Berlin und den Sportfreunden Braunschweig. Sie hatten sich die ganze Saison über auf Augenhöhe bewegt und nahmen sich auch in diesem Spiel nichts. Mit zunehmendem Spielverlauf konnten sich die Mainzer allerdings eine Überlegenheit herausspielen, die Florian Fischer mit zwei Treffern verwertete. Am Ende hieß es 3:1 für Mainz. Das Traumfinale zwischen Düsseldorf und Mainz war also perfekt.
Beide Halbfinals betrieben eine hervorragende Werbung für den Amputierten-Fußball. Das erkannte auch der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts an, der sich unter den Zuschauern befand. Er zollte den Spielern seinen Respekt und lobte die integrative Kraft des Sports. Mehr Vereine sollten dem Vorbild von Mainz oder Düsseldorf folgen und Menschen mit Amputation oder Behinderung eine Heimat bieten. Dass die Sportart in Deutschland in den letzten Jahren einen Riesensprung gemacht hat, konnten sowohl die Gäste vor Ort als auch Zuschauer des Livestreams bezeugen.
Vor fünf Jahren verschrieb sich Anpfiff ins Leben, eine gemeinnützige Organisation aus der Metropolregion Rhein-Neckar, die Perspektiven über den Sport schafft, dem deutschlandweiten Aufbau des Amputierten-Fußballs. Möglich machte dies die finanzielle Unterstützung der Aktion Mensch Stiftung. Während 2018 etwa 15 Menschen in Deutschland Amputierten-Fußball spielten, betreiben heute über 50 Menschen mit Amputation organisierten Vereinssport. 2021 organisierte Anpfiff ins Leben erstmals eine Spielrunde, die den Deutschen Meister ermittelte. Der erste Titel ging an Anpfiff Hoffenheim, bevor sich 2022 und nun auch 2023 Düsseldorf die Krone aufsetzte. In der noch jungen Geschichte der Deutschen Amputierten-Fußball darf sich die Fortuna nun also Rekordmeister nennen.
Vorher wurde am Samstag aber der Drittplatzierte ermittelt. Nachdem sich die favorisierte SG Nord-Ost in Führung brachte und bereits auf der Siegerstraße befand, brachte eine Gelb-Rote Karte die Wende. Anpfiff Hoffenheim nutzte die Überzahl und drehte das Spiel. Der 3:1-Erfolg sicherte ihnen die Bronze-Medaille.
Dann war es so weit. Die Rhein-Fire Cheerleader brachten Fans und Spieler in Stimmung, bevor es endlich losging. Die Anspannung war den Teams anzumerken. Beide tasteten sich ab, keiner wollte den ersten Fehler machen. Die Größe des Spiels lag ihnen auf den Schultern. In der zweiten Halbzeit kam jedoch Schwung ins Spiel. Düsseldorf fand zur gewohnten Stärke. Ihre Bemühungen belohnte Setonji Ogunbiji mit dem 1:0. Als Goalgetter Radouane Chanoune schnell das 2:0 nachlegte, schien bereits alles entschieden. Doch Mainz gab sich nicht auf und kam durch Florian Fischer zum Anschluss. Danach riskierten sie aber zu viel und liefen in die eiskalten Konter der Düsseldorfer. Die schlugen innerhalb kürzester Zeit dreimal zu und zementierten somit ihre Rolle als Ligaprimus. Auch die enttäuschten Mainzer erkannten am Ende neidlos an, was alle Fans gesehen hatte: Die dritte deutsche Meisterschaft des Amputierten-Fußballs hatte ihren verdienten Sieger gefunden.
Bei denen war die Freude grenzenlos. Stefanie Wild von Anpfiff ins Leben überreichte Kapitän Jonas Lappe die Meisterschale, die er freudestrahlend in die Höhe streckte. Auch für Düsseldorfs Starstürmer Radouane Chaanoune nahmen die Ehrungen kein Ende. Am Freitag hatte er in der Halbzeitpause des Zweitliga-Spiels der Fortuna Düsseldorf gegen den Karlsruher SC die Auszeichnung als Torschütze des Tor des Monats. Die Zuschauer der ARD Sportschau hatten seinen Pfeilrückzieher mit großem Abstand zum schönsten Tor des Julis gewählt. Nur einen Tag später war er nicht nur der entscheidende Mann im Finale, sondern erhielt auch die Torjägerkanone. Mit 22 Treffern lag er deutlich vor dem zweitplatzierten Majed Sajid, der 16 Tore erzielte.
Freude und Frust lagen wie bei jedem Finale dicht beieinander. Doch schnell fanden die Spieler der unterschiedlichen Teams wieder zusammen und ließen den Finaltag und die vergangene Saison bei einem Altbier Revue passieren. Trotz allen sportlichen Ehrgeizes bleibt die Amputierten-Fußball Liga ein Zusammenschluss von Gleichgesinnten. Jeder Spieltag ist auch ein Wiedersehen unter Freunden. Und dieses Bild – eines von Menschen mit unterschiedlichen Amputationen, Herkünften und Trikots, die zusammenkommen, um Sport zu treiben, zu lachen, ein Bier zu trinken und sich unbeschwert ihres Lebens zu erfreuen – zeigt, dass es in der Amputierten-Fußball Bundesliga um viel mehr geht als um die Meisterschale.